un·systemischer Ratschlag – März 2020

Gedanken zur Agilität

Eine einfache, gleichzeitig präzise Definition für agile Organisationen, Sozietäten und Professionisten stammt von Dirk Baecker, dem Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten/Herdecke. Er entwickelte unter Zuhilfenahme der Formnotation von George Spencer-Brown (G.Spencer-Brown; 1987) einen Algorithmus für agile Systeme (D.Baecker: 2017, S.11).
 

 
Auf die Handlungsebene von Auftragsklärungen bzw. Situationsanalysen umgelegt bedeutet dies, dass ein agiles System in einem wiederholten schleifenförmigen Durchgehen
• einer Situation bzw. einer Beschreibung von Seiten eines Gegenübers zuallererst einmal mit „intentionaler Leere“ begegnet,
• sich dabei radikal am Auftrag orientiert,
• und Bezug auf die relevanten Umwelten nimmt.

„Intentionale Leere“ steht dabei für die Fähigkeit eines Systems in einer Haltung bzw. einem Kommunikationsmodus zu verbleiben, welcher ausschließlich auf Verstehen fokussiert. Ein solcher Haltungs- bzw. Kommunikationsmodus hört zu, beobachtet, frägt nach. Ein solches System führt dabei wohl eine introspektive Reflexion „mit sich selbst“ durch, mit eigenen Erfahrungen, Bildern, Gefühlen und Hypothesen, die beim Zuhören, Beobachten und Nachfragen entstehen. Aber diese werden anfänglich einmal nur gesammelt und erst später in einem tiefer gehenden, klärenden Dialog mit Bezug auf den benannten Auftrag und die relevanten Umwelten ins Gespräch bzw. in die Analyse eingebracht. Auf diese Weise gelingt es einen Kontext in seiner Komplexität zu erfassen und das Gegenüber mit seinen Sichtweisen, seinen Fokussierungen und seinem Selbstbild kennenzulernen und zu verstehen.

Intentionale Leere bedeutet den Verzicht auf hypothesenfokussierte Bewertungen und verhindert damit frühzeitige inhaltliche oder prozessuale „Schließungen“.

Und Vorsicht: Je intensiver und länger sich ein System in einem vertrauten „Habitat“ – also in einem inhaltlich und personenbezogen vertrauten Kommunikations- und Kooperationsraum – bewegt und Teil bzw. Mitglied dieses Habitats wird, umso mehr besteht die Gefahr, dass Agilität verloren geht. Auch „Standards“, die ein System mitbringt, bergen immer auch die Gefahr einer Reduktion von Agilität in sich.

 
… in Anlehnung an Ausführungen im Buch: A.Janes / K.Prammer (2020): Organisationsberatung X.0. Carl Auer Verlag; erscheint im Spätherbst/Winter 2020
Baecker, Dirk (2017): Agilität, Hierarchie und Management: Eine Verallgemeinerung. Universität Witten/Herdecke, unveröffentlichter Artikel; März 2017
Spencer-Brown, George (1987): Laws of Form. Gesetze der Form. Bohmeier / Lübeck, 1987